Resilienz – ein dickes Fell für die Seele

Wir leben in verrückten Zeiten. Die Virus-Pandemie greift nicht nur die körperliche Gesundheit an – es kriselt in fast allen Lebensbereichen. Menschen verlieren ihre Jobs und bangen um ihre Existenz, Beziehungen gehen auseinander, in so manchen Familien hängt der Haussegen gehörig schief. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Denn es gibt auch Menschen, die schwierige Zeiten leichter überstehen und derzeit sogar über sich hinauswachsen – fast so, als wäre die Krise eine Chance für sie. Woran liegt das? Warum sind manche Menschen scheinbar krisenresistenter als andere? Der Zauberwort heißt: Resilienz.
Resilienz – was ist das?
Das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so etwas wie „abprallen“ oder auch „zurückspringen“. In der Psychologie ist damit die psychische Widerstandskraft gemeint, also die Fähigkeit mit schwierigen Situationen, Stress und akuten Belastungen umzugehen. Diese Widerstandskraft der Seele ist bei manchen Menschen stärker ausgeprägt, bei anderen wiederum nur schwach oder kaum vorhanden.
Wie kann ich mental gesund bleiben, wenn die Welt um mich herum scheinbar verrückt wird? Denn, mal ehrlich, so fühlt sich es an manchen Tagen an. Die Antwort darauf liegt im Inneren. Wer bisher innerlich einigermaßen stabil war, hat in Krisenzeiten weniger Probleme, als Menschen, die zum Beispiel innere Leere empfinden. Auch wer bisher seelische Probleme permanent von sich weggeschoben hat – zum Beispiel durch Ablenkung im Außen oder Sucht – fühlt sich in der Coronakrise wie „gefangen“, unter Druck, als ob das Fass gleich überläuft.
Das Immunsystem der Seele
Die äußere Welt ist ruhiger geworden – und plötzlich wird die innere Welt ganz laut. Reisen, Ausgehen, seinen Freizeitbeschäftigungen nachgehen – der äußere Rahmen der eigenen Lebenswelt ist plötzlich kleiner. Selten haben die Menschen so viel Zeit zu Hause in den eigenen vier Wänden verbracht. Für manche kommt das einem auferlegten Zwang gleich, viele fühlen sich bevormundet von der Regierung, fühlen sich gar als „Opfer“ des Systems und wehren sich mit Händen und Füßen gegen den Status quo.
Manche zerbrechen an Krisen und leiden sehr viel mehr als andere. Experten vermuten, dass ihre Widerstandskraft einen enormen Anteil daran hat. Resilienz ermöglicht es, lösungsorientiert auf eine Krise zu blicken und sich sogar durch Probleme weiterzuentwickeln. Man könnte Resilienz auch als das Immunsystem der Seele bezeichnen. Die gute Nachricht ist: Mit Resilienz wird man nicht geboren, man kann sie erlernen und zwar in jeder Lebensphase.
Grundstein in der Kindheit
Wir wissen, dass in den ersten Lebensjahren eines Menschen so mancher Grundstein gelegt wird. Die eigenen Überzeugungen und Verhaltensmuster bilden sich in der Kindheit aus. Wuchs man in einem Elternhaus auf, in dem oft negative Äußerungen mitbekommen hat, ist es sehr wahrscheinlich, das auch die eigene Weltanschauung sich daran orientiert. Wuchs man hingegen in einem Haushalt auf, indem die Eltern bzw die Bezugspersonen eine positive und kraftvolle Einstellung zum Leben vermittelt haben – zum Beispiel, indem man oft Sätze gehört hat, wie „Du schaffst das schon“ oder „Du bist gut, so wie du bist“ - ist das Immunsystem der Seele bereits gut ausgebildet.
Es lohnt sich, im Erwachsenenalter die eigenen Überzeugungen genauer anzuschauen und auf den Prüfstand zu stellen. Wichtig ist jedoch, das nicht aus einer Opferhaltung heraus zu tun und beispielsweise den Eltern eine Schuld auszusprechen („Wegen euch bin ich so und so“) – wer sich ständig als Opfer sieht, z. B. als Opfer des Systems, Opfer seiner Erziehung oder Gesellschaft, wird auf Dauer unglücklich und krank.
Besser: das eigene Schicksal selbst in die Hand nehmen. Sich auf die Stärken zu fokussieren, positiv denken üben (z.B. indem man mit Affirmationen, also positiv formulierte Sätze, arbeitet). Resiliente Menschen sehen das Glas eher halbvoll als halbleer und denken in Lösungen. Tauschen Sie sich mit ihren Mitmenschen aus, holen Sie sich Hilfe bei Freunden, Nachbarn und Familie und bieten Sie auch selbst Hilfe an.
Den Akzeptanz-Muskel trainieren
Üben Sie sich in Akzeptanz – erst wenn man eine Situation akzeptiert, schafft man die Basis für Veränderung. Wenn Sie ständig gegen den Ist-Zustand ankämpfen, den Sie derzeit nicht beeinflussen können, schwächen diese negativen Gedanken nicht nur das eigene Immunsystem, man hat selbst auch überhaupt keine Energie mehr übrig, fühlt sich müde, wird träge, schlapp und gar depressiv oder aggressiv.
Ich weiß, dass das bei vielen Menschen einen wunden Punkt trifft – und das geht auch nicht von heute auf morgen. Es gibt beim Resilienz-Training keine Blitzlösungen. Jedoch könnten Sie noch heute damit anfangen. Das geht ganz einfach und kostet keinen Cent. Der Trick liegt darin, sich auf die positiven Dinge zu fokussieren und das zu würdigen, was gut ist. Am einfachsten lässt sich das mithilfe eines Dankbarkeits-Tagebuchs trainieren. Denn Schreiben hilft, sich Dinge bewusst zu machen und sie aus dem Keller – aus dem Unterbewusstsein – zu holen.
Täglich bewusst die Perspektive wechseln
Die Dankbarkeits-Methode ist sogar wissenschaftlich erwiesen – wer bewusst dankbar ist, ist widerstandsfähiger und hält Krisen besser aus. Dabei lenkt man seine Aufmerksamkeit auf das Positive im Leben. Und auch wenn es schwer erscheint: man findet immer etwas Positives, und sei es nur die Tasse Kaffee am Morgen. Und so geht's: Schreiben Sie sich jeden Abend drei Momente des Tages auf, für die sie dankbar sind. Das können Momente sein, die sie schön fanden und genossen haben. Schließen Sie für einen Moment die Augen, legen Sie die Hände auf Ihr Herz. Nun atmen Sie tief und ruhig ein und aus. Fühlen Sie sich nochmal in die schönen Momente hinein.
Autorin: Iunia Mihu